Die MSS soll auf universitäres Studium vorbereiten und mit dem Abitur die Qualifikation ausweisen. Doch in der Regel scheitert mehr als ein Drittel der in die MSS eintretenden Schülerinnen und Schüler in dieser. Selbst wenn das Abitur erfolgreich geschafft ist, sind die Noten der Abiturienten an IGS teilweise deutlich schlechter als an den Gymnasien. Im Endergebnis eine bittere Bilanz! Wo liegen mögliche Ursachen?
1. Übergangsbedingungen
Die letzten diesbezüglichen Änderungen erleichterten den Übergang von IGS und Realschulen plus in die MSS. Die Durchlässigkeit ist zu begrüßen, aber ist es verantwortungsvoll, Schülerinnen und Schülern den Weg in die MSS zu öffnen, wenn ihnen die Grundlagen für ein erfolgreiches Bestehen sämtlich fehlen?
2. Versetzung ohne Leistung
An IGS fehlt es im Vergleich zu den Gymnasien an leistungsbezogenen Versetzungen: „Jede Schülerin ... der Integrierten Gesamtschule steigt … zu Beginn eines neuen Schuljahres in die nächste Klassenstufe auf (ÜSchO §67.1). Lediglich für die Einstufung in den leistungsdifferenzierten Fächern und die Übergänge nach 10 sowie 11 spielen Noten eine Rolle. Brauchen Jugendliche nicht auch eine klare Rückmeldung, insbesondere in Phasen der entwicklungspsychologischen Indifferenz, um gegebenenfalls ihr Leistungsniveau an die Forderungen anzupassen?
3. Gymnasiale Bildung in der Sekundarstufe I?
Das Leitprinzip der Integration führt dazu, dass keine leistungs- und abschlussbezogenen Klassen gebildet werden dürfen. Für die Fachleistungsdifferenzierung laut ÜSchO § 26 sind zwei oder - in der Praxis eher seltener umgesetzt - drei Leistungsebenen vorgesehen. Diese Leistungsebenen werden aber keinen Schularten zugeordnet und somit wird weder ein reales noch ein gymnasiales Leistungsniveau definiert. Hat sich diese Intransparenz bewährt?
4. Fachlehrer und Lehramt
Das Lehramt spielt vielerorts für den Unterrichtseinsatz in den leistungsdifferenzierten Fächern eher eine untergeordnete Rolle. So unterrichten Realschulkollegen auch in E-Kursen, gymnasiale in G-Kursen. In der Orientierungsstufe wird mancherorts das Klassenlehrerprinzip gelebt, sodass fachfremder Unterricht erteilt wird. Dass sogar manche IGS-Lehrkräfte ihr eigenes Lehramt und ihre Ausbildung ausblenden und den Wert eines Fachunterrichts durch dafür qualifizierte Lehrkräfte in Frage stellen, stimmt höchst bedenklich. Die Diskussionen um Einheits- und Stufenlehrer weisen in die gleiche Richtung. Werden so den Jugendlichen nicht Chancen genommen?
5. Heterogenität und Unterrichtsmethoden
Die Heterogenität ist der Urkeim für den Integrationsauftrag der IGS. Dieser versuchte man zunächst mit Gruppenarbeit sowie Wochen- und Arbeitsplänen meist vergeblich Herr zu werden. Differenzieren und Individualisieren finden neuerdings ihren Höhepunkt im Trend hin zu offenen Lernformen in Lernlandschaften. Die Idee, mehrere Lerngruppen in ein „Großraumbüro“ zu verfrachten, wo sie weitgehend sich selbst überlassen Arbeitsaufträge per I-Pad abarbeiten, ist zwar ein effektives Sparmodell, aber vor allem ein Verrat an der Zukunft der Kinder und Jugendlichen. Diese brauchen zwar auch selbstgesteuertes Lernen, jedoch angesichts der gesellschaftlichen Tendenzen noch viel mehr Menschen, die mit ihnen arbeiten und Interesse an ihnen beweisen. KI und Medien unterstützen, aber sie dürfen keinesfalls zu weniger Lehrerkontakt führen in dem Sinne, dass eine Lehrkraft von Schüler zu Schüler geht und als Lernbegleiter dann noch mehr als die dreißig beschult. Wer kann Heterogenität besser bewältigen, eine Computer-Software oder die Lehrkraft, die sich – diagnostisch ausgebildet – des Menschen annimmt?
Unsere Lösungen
1. Verankerung gymnasialer Leistungsstandards in der Sekundarstufe I
2. Verwendung von Lehr- und Lernmitteln auf gymnasialem Niveau in den E-Kursen
3. Anpassung der Übergangsbedingungen von 10 nach 11
4. Projekt „Ganzes 13.Schuljahr“ an ausgewählten IGS mit anschließender Evaluation
5. Mehr Zeit für individuelle Diagnostik und Förderung der Schülerinnen und Schüler durch kleinere Lerngruppen
Horst Wittig