Demokratiebildung an IGS – Mut zu Veränderungen!

BLICK 329

 

Im Artikel „Demokratie macht Schule! – auch an IGS?“ (Blick Nr. 328 vom Februar 2020) wurden die Zielvorgaben des Landesprojektes „Demokratie macht Schule“ und Gelingensbedingungen an den Integrierten Gesamtschulen kritisch beleuchtet. Die geplanten Maßnahmen drohen auf Grund der aufgezeigten strukturellen Hemmnisse die gewünschte Wirkung zu verfehlen und die in der Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung nachgewiesene Benachteiligung der Schülerinnen und Schüler an Integrierten Gesamtschulen fortzuschreiben. Daher braucht es dringend Mut zu Veränderung und nachhaltige Reformen: 

 

1. Demokratiebildung in den IGS-spezifischen Förderbereichen stärken


Im Unterschied zu den Gymnasien verfügen die IGSen über Lehrerwochenstunden für integratives und pädagogisches Arbeiten. Hierfür stehen teilweise doppelt besetzte Tutorenstunden zur Verfügung; zusätzlich wird an manchen Schulen, insbesondere in der Orientierungsstufe, Sozial- oder Methodentraining angeboten. Ein Teil dieses Stundenpotenzials ließe sich nutzen, um in den Jahrgängen 5 bis 9 Demokratiebildung stärker zu verankern. Zum Zwecke der Qualitätssicherung bedürfte es eines Richtlinienkatalogs für die zu vermittelnden Inhalte, der seitens des Ministeriums zu entwickeln wäre, damit zur Umsetzung nicht auch noch die Planungsarbeit auf die Kolleginnen und Kollegen zukommt.

 

2. Überarbeitung der Lehrpläne


Wenn Demokratiebildung gelingen soll, bedarf es zeitgemäßer und moderner Lehrpläne. Zentrale Themen wie beispielsweise die historisch-kulturellen Grundlagen Deutschlands und der EU, der Menschenrechte und der verschiedenen Herrschafts- und Wirtschaftsformen in Vergangenheit und Gegenwart samt ihren Auswirkungen auf Individuen und Gesellschaften, „Big Data“ zur Implementierung eines Überwachungsstaates am Beispiel China, Klima und Umwelt, Nachhaltigkeit. Die aktuell vorliegenden Lehrpläne in Gesellschaftslehre gewährleisten keinen Unterricht, der die wichtigen Fragen unserer Zeit aufwirft und den Schülerinnen und Schülern Antworten bietet. In Zeiten zunehmender Digitalisierung sollten die künftigen Lehrpläne so modular aufbereitet sein und evolutionär weiterentwickelt werden, dass rasch Aktualisierungen – sei es beispielsweise in Form von Fallbeispielen oder Teilthemen – eingepflegt werden können. Dies alles müsste flankiert werden durch ein entsprechendes Fortbildungsangebot seitens des PL.

 

3. Früher einsetzender Fachunterricht in EK / G / SK


Die Auflösung des Faches Gesellschaftslehre in die Einzelfächer Erdkunde, Sozialkunde und Geschichte erst in der Oberstufe kommt definitiv zu spät und ist kontraproduktiv für die Förderung der Demokratiebildung. Die Befunde der vorliegenden Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung sind alarmierend:
Die demokratische Grundhaltung von Gymnasiasten ist deutlich ausgeprägter als bei Schülerinnen und Schülern an Integrierten Gesamtschulen und den übrigen allgemeinbildenden Schularten. Da der neu einsetzende Fachunterricht in der Oberstufe keine ausreichende Basis findet, auf der aufgebaut werden kann, werden die Defizite in der Politikkompetenz und die unterentwickelte Bereitschaft zu aktivem politisch-gesellschaftlichen Handeln nach dem Übergang in die MSS fortgeschrieben. 
Befragungen im Zuge der Studie dokumentieren nämlich, dass die Jugendlichen in den Jahrgangsstufen 9 und 10 den Ein-Fach-Unterricht in Gesellschaftslehre als oberflächlich und langweilig empfinden. Verständnis für politische und historische Zusammenhänge, demokratische Bildung und das Bewusstsein für selbstverantwortliches Handeln im gesamtgesellschaftlichen Kontext – all dies setzt nicht nur, aber gerade in dieser dafür prägenden Entwicklungsphase der Jugendlichen kompetenten und fachwissenschaftlich hochwertigen Fachunterricht voraus, der nur von entsprechend ausgebildeten Lehrkräften garantiert werden kann. Für die Integrierten Gesamtschulen kann dies daher nur eins bedeuten: Das Fach Gesellschaftslehre muss abgeschafft und von Anfang an durch die Einzelfächer ersetzt werden. Gelebtes Demokratieverständnis impliziert, dass die Politik auf alarmierende Befunde wie den oben skizzierten reagiert und auf Veränderungen zum Wohle der Schülerinnen und Schüler hinarbeitet. In diesem Sinne fordert der Philologenverband mehr Mut zu Veränderung. Wenn bestehende Strukturen den Lernerfolg der Kinder begrenzen, dann gehören sie geändert!

 

Fragen, Anregungen und Kritik richten sie bitte an den Autor:
info@philologenverband.de
carpe-vitam@t-online.de