Einigung bei der Regierungsbildung erzielt - Der Philologenverband nimmt Stellung

Den am 22.04.2016 von Vertretern der künftigen Regierungsparteien im Entwurf vorgestellten Koalitionsvertrag bewertet der Philologenverband Rheinland-Pfalz in einzelnen Punkten wie folgt:

• Ohne eine umfassende Prüfung der für die nächsten fünf Jahre zu leistenden Aufgaben vorzunehmen, plant die neue Landesregierung die Streichung von 2000 Stellen im öffentlichen Dienst. Gleichzeitig soll die Zahl der Ministerien von acht auf neun erhöht werden. Wenn man bedenkt, dass durch eine solche Maßnahme insbesondere hochdotierte Posten auf der B-Besoldungsstufe entstehen, kann dies nur als eine „Umverteilung von unten nach oben“ bezeichnet werden. Für die Bildung bleiben damit weniger Ressourcen übrig, denn nach Berechnungen des dbb wird das zusätzliche Ministerium für die Dauer der Legislaturperiode mit Kosten in Höhe von rund 10 Millionen Euro zu Buche schlagen. Aber auch inhaltlich macht eine Trennung der Bereiche Bildung, Wissenschaft und Kultur keinen Sinn. Die jetzt immer wieder propagierte Berufs- und Studienorientierung erfordert beispielsweise zwingend ein einheitliches Bildungs- und Wissenschaftsministerium!

• Von dem in der letzten Legislaturperiode gebrochenen Versprechen, die Klassenmesszahlen in der Orientierungsstufe der Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen auf 25 Schülerinnen und Schüler zu senken, liest man im neuen Vertrag nichts mehr. Die Verringerung der Klassenmesszahlen wird damit auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben.

• Hatten sowohl Bildungsministerin Vera Reiß als auch die bildungspolitische Sprecherin der SPD, Bettina Brück, auf dem Gymnasialtag des Philologenverbandes am 01.02.2016 noch mehrfach erklärt, dass die Errichtung weiterer Integrierter Gesamtschulen nicht geplant sei, so steht im Koalitionsvertrag das glatte Gegenteil. Die Erfahrungen in anderen Bundesländern zeigen allerdings, dass dieses Vorhaben zum Aufbau von Überkapazitäten und zur Konkurrenz zwischen den Schulen führen wird. Da es nämlich zum Schrumpfen bislang erfolgreich arbeitender Gymnasien kommen dürfte, werden, so die wenig beruhigende Perspektive des Koalitionsvertrages, „zur Sicherstellung eines breiten Angebotes bei der Fächerwahl in der Oberstufe (…) bei kleiner werdenden Schulen Kooperationen zwischen Schulen“ in Aussicht gestellt. Dies wiederum kann bedeuten, dass Lehrkräfte nervenaufreibendes Pendeln zwischen mehreren Schulstandorten oder gar eine Abordnung in Kauf nehmen müssen. Wie der Erhalt der Realschulen plus und die Errichtung neuer Integrierter Gesamtschulen bei stagnierenden, teilweise zurückgehenden Schülerzahlen miteinander vereinbar sein sollen, dürfte kaum erklärbar sein.

• Die Koalitionäre „wollen längeres gemeinsames Lernen verstärkt ermöglichen, wo es vor Ort gewünscht wird“. Was sich bürgerfreundlich anhört, bedeutet nicht weniger als die Aushöhlung des leistungsorientierten und differenzierten Schulsystems. Anstatt die entsprechenden Bemühungen der Eltern, die sich an diversen Orten für die Auflösung von gemeinsamen Orientierungsstufen engagiert haben, ernst zu nehmen, möchte man lieber auf kurzfristige Stimmungen und den Ehrgeiz von Kommunalpolitikern setzen, ihren Schulstandort vermeintlich attraktiv zu gestalten. 

• Die Formulierung „Wir wollen die Unterrichtsversorgung weiter verbessern und streben eine 100-prozentige Versorgung an“ ist sehr vage gehalten und gibt wenig Anlass zur Hoffnung. Zu einer entsprechenden Aufstockung des Personals ist man leider nicht bereit gewesen, man bleibt lieber beim unverbindlichen Wünschen und Streben. Dabei wäre es an der Zeit, dass zumindest strukturell, also von vornherein geplant, kein Unterricht mehr ausfallen muss.

• Ebenso wenig belastbar ist die Erklärung zum öffentlichen Dienst: das „Streben“ nach einer gerechten Entlohnung der Beamtinnen und Beamten wird durch den „Rahmen der finanziellen Möglichkeiten“ so weit eingeschränkt, dass man auch hier jegliche Erwartungen, dass Rheinland-Pfalz den drittletzten Platz beim Ländervergleich in der Besoldung verlassen könnte, begraben darf.

• Das bisher geltende Prinzip der Bestenauslese, wonach diejenigen mit den besten Noten die höchsten Einstellungschancen hatten, ist den Regierungsparteien anscheinend ein Dorn im Auge, ansonsten würden sie nicht unter dem Titel der „Selbständigkeit der Schulen“ nebulös das „bisherige System der Personalversorgung“ als „nicht mehr zeitgemäß“ verunglimpfen. Zur Besoldungswillkür wird sich daher demnächst wohl die Einstellungswillkür dazugesellen, man schwenkt um zu einer Einstellungspraxis nach Gutsherrenart!

Fazit: Die Ankündigungen des Koalitionsvertragsentwurfs lassen nichts Gutes für die bildungs- und berufspolitische Zukunft in Rheinland-Pfalz erahnen. Der Philologenverband Rheinland-Pfalz wird dessen ungeachtet weiter für eine leistungsorientierte gymnasiale Bildung an Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen und für angemessene Arbeitsbedingungen der Beschäftigten kämpfen.