Der Philologenverband Rheinland-Pfalz mahnt die Politik, dringend erforderliche (und lange aufgeschobene) Maßnahmen anzugehen, um die Situation im Bildungswesen zu verbessern:
- Lesen, Schreiben und Rechnen gehören zu den Grundkompetenzen für einen erfolgreichen Besuch der weiterführenden Schulen. Zu viele Kinder kommen nicht mit dem nötigen Rüstzeug an den weiterführenden Schulen an; dort allerdings fehlt die Zeit, um Versäumtes in größerem Umfang aufzuarbeiten. Wir schlagen vor, auf Fremdsprachenlernen an den Grundschulen komplett zu verzichten: Zum einen sind die Fortschritte oft sehr gering oder behindern gar den Fremdsprachenunterricht an den weiterführenden Schulen, zum anderen fehlt durch die Verdopplung des Fremdsprachenunterrichts auf zwei Schulstunden in Jahrgang 3 und 4 gerade dort die Zeit, um sich auf das Wesentliche konzentrieren zu können.
- Wir fordern verpflichtende Sprachkurse auf unterschiedlichen Niveaus, um junge Menschen ohne die erforderlichen Deutschkenntnisse optimal auf den Unterricht vorbereiten, statt in Kauf zu nehmen, dass sie in viel zu großen Klassen verlorengehen: Wer Integration ernstmeint, muss auch die entsprechenden Ressourcen dafür zur Verfügung stellen.
- Bundesweit lässt sich feststellen, dass die Bildungssysteme, bei denen Eltern nach der vierten Klasse an die Empfehlung der Grundschule gebunden sind, bei Vergleichsstudien wesentlich erfolgreicher abschneiden und ein insgesamt höheres Bildungsniveau haben als Länder wie Rheinland-Pfalz, bei denen es keine verpflichtende Empfehlung gibt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, die Durchlässigkeit des Bildungssystems zu gewährleisten. Rheinland-Pfalz hat hier großen Nachholbedarf und steuert mittelfristig durch den weiteren Ausbau von Realschulen plus in Integrierte Gesamtschulen auf ein Einheitsschulsystem zu. Bildungsgerechtigkeit lässt sich nicht erreichen, indem man Chancen einebnet, sondern indem man passsende Schularten für jedes Kind bereithält. Bildungsgerechtigkeit ist dann am größten, wenn man nicht durch den Geldbeutel oder die soziale Stellung der Eltern, sondern aufgrund der eigenen Leistung vorankommen kann. Die Herausbildung teurer und elitärer Privatschulen ist dann vorprogrammiert, wenn das staatliche Bildungssystem aus finanziellen und ideologischen Gründen in den Bankrott steuert. Gerade um Bildungsgerechtigkeit zu gewährleisten, treten wir für das leistungsbezogene gegliederte Schulsystem und die verbindliche Grundschulempfehlung ein.
- An Integrierten Gesamtschulen sowie an integrativen Realschulen plus sollte es unbedingt wieder eine Versetzung ab Klasse 6 geben – das jahrgangsweise „Hochrutschen“ in die nächste Stufe ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Leistungen hat in den letzten Jahren dazu beigetragen, dass Rheinland-Pfalz immer mehr Bildungsverlierer und Schulabbrecher produziert, weil Lücken erst spät erkannt, dann aber nicht mehr geschlossen werden können.
- Wir fordern eine echte Vertretungsreserve auch an den weiterführenden Schulen, also eine Versorgung von 100 % plus x, ähnlich wie im Nachbarbundesland Hessen. Nur so kann Unterrichtsausfall vermieden werden.
- Wir fordern eine Rückkehr zu einem echten G9 statt eines verkürzten 13. Schuljahres, um wieder mehr Zeit in der Oberstufe für die Vorbereitung auf ein Studium zu haben.
- Wir fordern ein Ende des Bürokratiemonsters Schulbuchausleihe, das unnötig Kapazitäten bindet.
- Das Sparmodell der neuen Inklusionsschulordnung der Landesregierung, wonach Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen zum Nulltarif in die Klassen inkludiert werden sollen, ist in den vergangenen Jahren schon an den übrigen Schularten jenseits des Gymnasiums massiv gescheitert: Eine Überforderung der Schulen durch zu große Heterogenität und Störungenim Unterricht hat mit zu den schlechten PISA- und IQB-Ergebnissen beigetragen. Es hilft wenig, Förderschullehrkräfte aus den Förderschulen mit ihren sehr kleinen Klassen immer stärker zur Beratung von Lehrkräften an den verschiedenen Schularten einzusetzen, während dort die Lerngruppen viel zu groß sind.
- Die Klassenmesszahl an den weiterführenden Schulen muss dringend gesenkt werden. Wenig positiv sind die Zahlen für die Sekundarstufe I: Mit 17,5 Schülerinnen und Schülern je Lehrkraft hat Rheinland-Pfalz die schlechteste Schüler-Lehrer-Relation an Gymnasien bundesweit, und auch über die Schularten hinweg bildet Rheinland-Pfalz mit 15,3 Schülerinnen und Schülern je Lehrkraft das traurige Schlusslicht bei der Schüler-Lehrer-Relation. (Quelle: Statistische Veröffentlichungen der Kultusministerkonferenz. Dokumentation Nr. 239 – Januar 2024 (korrigierte Fassung vom 29.02.2024 – betrifft Absolvierende beruflicher Schulen).https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/Statistik/Dokumentationen/Dok_239_SKL_2022.pdf, im pdf-Dokument Seite 68, zuletzt abgerufen am 21.08.2024.)
- Für die Oberstufe benötigen wir mehr Lehrerwochenstunden, wenn wir junge Menschen auf ein erfolgreiches Studium vorbereiten wollen. Nach wie vor gibt es viel zu große Kurse mit über 20 oder gar 30 Schülerinnen und Schülern.
- Der Philologenverband fordert die Landesregierung dringend auf, das aus den Fugen geratene Besoldungssystem des Öffentlichen Dienstes zu reformieren, damit diejenigen, die während der Gehaltssteigerungen von Grundschullehrkräften von A 10 nach A 12 in den vergangenen Jahrzehnten vernachlässigt wurden, in ihren Bereichen entsprechende Entwicklungen um jeweils zwei Stufen nachzeichnen können. Dies betrifft unter anderem die Polizei, Finanzämter, das Ingenieurwesen und Gymnasiallehrkräfte.
Die Politik ist in der Pflicht bei der gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitszeiterfassung auch von Lehrkräften. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Arbeitszeit insbesondere von Gymnasiallehrkräften und -schulleitungen massiv ausgedehnt. Der Philologenverband fordert die Politik auf, endlich Konsequenzen aus Studien wie der Göttinger Mußmann-Studie zu ziehen und Maßnahmen zur Senkung des Arbeitsumfangs zu ergreifen. Wir fordern eine Reduzierung der Jahresarbeitszeit auf ein Maß, wie es in anderen Berufsgruppen normal ist.