Keine Scheuklappen, keine Denkverbote: Wie können unsere Grundschülerinnen und -schüler besser werden?

Pressemitteilung

Wenig überrascht haben den Philologenverband Rheinland-Pfalz die gestern veröffentlichten schlechten Ergebnisse der „Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung“ 2016 (IGLU), die empirisch bestätigen, was Lehrkräfte an den weiterführenden Schulen tagtäglich erleben: Ein viel zu hoher Anteil, nämlich fast 20 % aller Schülerinnen und Schüler in der vierten Klasse können Texte nicht wirklich erfassen, erreichen nicht einmal Kompetenzstufe III („Verstreute Informationen verständig miteinander verknüpfen“) von insgesamt fünf Stufen. Fast 6 % aller Viertklässlerinnen und Viertklässler können einen Text nur rudimentär verstehen.

„Es bedarf eines Umsteuerns in der Bildungspolitik für die Grundschulen!“ kommentiert die Landesvorsitzende des Philologenverbandes, Cornelia Schwartz, die Befunde. „Dabei geht es nicht um Besserwisserei: Die weiterführenden Schulen können schlicht nicht aufarbeiten, wozu Grundschulen aufgrund der vielfältigen Probleme vor Ort nicht in der Lage sind. Wir müssen verlässlich auf den Grundlagen aus der Grundschule aufbauen können, sonst werden wir unseren eigentlichen Aufgaben am Gymnasium, an der Integrierten Gesamtschule oder an der Realschule plus nicht mehr gerecht.“

Die Ursachen der Probleme an den Grundschulen sind vielfältig: Immer wieder wird eine extensive Mediennutzung gerade bildungsferner Schichten genannt. Daneben spielt die Überforderung der Grundschulen durch Integration und Inklusion eine Rolle: Besonders wichtig wären insgesamt mehr Ressourcen für eine gelingende Integration Geflüchteter. Außerdem fördert die IGLU-Studie zutage, dass den Lehrkräften nicht in erforderlichem Maße Kompetenzen in Bezug auf Klassenführung, Strukturiertheit des Unterrichts und kognitive Aktivierung bescheinigt werden. Laut IGLU-Studie sind aber gerade diese Parameter entscheidend dafür, ob Unterricht „lernwirksam“, also erfolgreich ist. 

Der Philologenverband Rheinland-Pfalz befindet sich mit dem Bildungsministerium und den übrigen beteiligten Gruppen im Gespräch. Wiederholt haben wir angeregt, Veränderungen am Grundschullehrplan vorzunehmen. Aussagen wie die des Teilrahmenplans Deutsch der Grundschule von 2005, es sei „wichtig, erste schriftliche Ausdrucksformen zu respektieren und für einen behutsamen Übergang vom lautgetreuen zum normgerechten Schreiben zu sorgen, um die Schreibmotivation aufzubauen und zu erhalten“, können bei falscher Interpretation zu einer Kultur der Nachlässigkeit und fehlender Sensibilität für sprachliche Richtigkeit führen. Für eine Neufassung sollte die Aussage von Prof. Dr. Petra Stanat vom Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) handlungsleitend sein: „Unterrichtsentwicklung […] muss sich am Lernerfolg der Schüler messen. Dabei ist nicht zu erwarten, dass eine stärkere Leistungsorientierung zu Einbußen in der Schulfreude führen wird.“

Unterstützung in seinem Bemühen erhält der Philologenverband von zahlreichen Eltern, die ebenfalls – in Kontrast zum Lehrplan und zur häufigen Praxis an den Grundschulen - wünschen, dass den jungen Schülerinnen und Schülern von Anfang an klar die richtige Schreibweise eines Wortes präsentiert wird und Kinder nicht unnötig beschwerliche Umwege gehen müssen, die ihnen hinterher massive Probleme bescheren. „Hier wären Anleihen aus der Fremdsprachendidaktik notwendig“, fordert Schwartz, die selbst Englisch und Mathematik an einem Gymnasium in Speyer unterrichtet.