Kurz und bündig - Berlin: Bevor die Leute auf der Straße rumlungern, können sie doch auch unterrichten

BLICK 312

Ein bemerkenswertes Verständnis von dem, was Lehrkräfte tun und welche Voraussetzungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit erfüllt sein müssen, offenbart der Titel einer Broschüre, die die rot-rot-grüne Landesregierung Berlin herausgegeben hat. Studenten, die sich etwas dazuverdienen wollen, sollen sich durch einen Flyer mit dem Titel "Unterrichten statt Kellnern" angesprochen fühlen. Wenn für die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie die Professionalität der Lehrenden auf einem solchen Platz rangiert, dann, so meine ich, bedarf es doch gar nicht dieser Entgegensetzung durch das Wort „statt“. Sollte man nicht, um noch mehr Bewerber zu akquirieren, auf die zeitliche Kompatibilität beider Jobs verweisen? Warum also nicht auf dem Nachhauseweg nach der Nachtschicht in der Kneipe noch einmal einen kurzen Abstecher in die Schule zum Unterrichten unternehmen? Vielleicht bedient man dort dieselben Leute und setzt die nachts zuvor unternommenen Bildungsanstrengungen fort? Von daher wäre doch der Titel "Unterrichten nach dem Kellnern" ein weitaus attraktiverer Blickfang für die Umworbenen – vielleicht versehen mit dem Zusatz  „Vom Lärm an der Theke gechillt zur Lerntheke“. Sicherlich könnte man auch, so mein Tipp, in der Arbeitsagentur den einen oder anderen dringend auf Bares Angewiesenen mit dem Titel, „Deutsch kann jeder“, "Aufstocken mit Geographie-Unterricht" oder "Schwarz-Arbeit wird bestraft, Ethik-Unterricht wird belohnt" ködern. Der Fantasie sollten in einem kreativen Bundesland wie Berlin bei Werbemaßnahmen dieser Art keine Grenzen gesetzt werden.