Mit Scheuklappen statt Masken durch die Pandemie? Bildungsministerium schreibt Erkenntnisse und Empfehlungen des RKI um

Der Philologenverband Rheinland-Pfalz greift das neue Papier des Robert-Koch-Instituts zu Präventionsmaßnahmen in Schulen während der COVID-19-Pandemie vom 12.10.2020 angesichts der sich zuspitzenden Situation dankbar auf, zeigt sich aber unzufrieden mit der offensichtlichen Handlungsunwilligkeit der Verantwortlichen in der Landesregierung. „Seit dem Frühsommer beschränkt sich das rheinland-pfälzische Bildungsministerium darauf, den Schutz der Bevölkerung und das Recht auf Bildung gegeneinander auszuspielen – man kann aber beides gleichzeitig gewährleisten“, so die Vorsitzende des Philologenverbandes Rheinland-Pfalz, Cornelia Schwartz. „Keinesfalls, so scheint es, will sich das Ministerium dem Vorwurf aussetzen, man beschneide Freiheitsrechte. Stattdessen verschanzt man sich lieber hinter der Sprachregelung, Schulen spielten beim Infektionsgeschehen keine Rolle, und gibt Verlautbarungen des RKI verzerrt wieder.“

 

Unter https://corona.rlp.de/fileadmin/bm/Bildung/Corona/Anschreiben_-_Ende_Herbstferien.pdf bezieht sich das Bildungsministerium im Schreiben vom 21.10.2020 auf „Studien und Erhebungen seitens des RKI“. Laut Ministerium zeigten diese angeblich: „Kinder und Jugendliche sind seltener betroffen als Erwachsene. […] Schulen sind nicht die Treiber der Pandemie.“  In seinem Papier zu Präventionsmaßnahmen stellt das RKI das allerdings anders dar: „Kinder und jüngere Jugendliche sind jedoch seltener betroffen als Erwachsene und nicht Treiber der Pandemie.“ Und wer nicht nur selektiv wahrnehmen möchte, liest im darauffolgenden Satz: „Mit zunehmendem Alter ähneln Jugendliche hinsichtlich Empfänglichkeit und Infektiosität den Erwachsenen“ (S. 2).

 

Weiter unten wird das RKI noch deutlicher: „Das Ausmaß einer Übertragung innerhalb der Schulen und von den Schulen in die Familien/Haushalte ist weitgehend unklar und Gegenstand der Forschung“ (Präventionsmaßnahmen, S. 3). „Das Bildungsministerium will hier nicht verstehen“, vermutet Schwartz. Wenn „in über der Hälfte der Fälle […] die Quelle der Ansteckung zudem bislang nicht aufklärbar“ ist, wie Prof. Christian Drosten in der Stuttgarter Zeitung und auf zdf.de zitiert wird, dann muss man akzeptieren, dass sich über Schulen als Treiber oder Nicht-Treiber der Pandemie wohl derzeit keine verlässliche Aussage treffen lässt.

 

Der Philologenverband kritisiert, dass sich nun nicht einmal zum Ende der Herbstferien eine Bereitschaft zu entschlossenem Handeln abzeichnet. „Schüler, Eltern und Lehrer fühlen sich zu Recht alleine gelassen; manche bezeichnen es als Himmelfahrtskommando“, fasst Schwartz die Lage vor Ort zusammen. „Was das Ministerium seit Wochen und Monaten sagt, steht in krassem Gegensatz zu den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts.“ Auch die Neuauflage der RKI-Empfehlungen vom 12.10.2020 markiert einen deutlichen Kontrast zu den Verlautbarungen des Ministeriums:

 

  • Das RKI betont die Wichtigkeit der AHA-Regeln: „Abstand halten (auch im Unterricht), Hygieneregeln befolgen (Husten-/Nies-[Etikette] und Händehygiene) und das Tragen von Alltagsmasken, wenn der Mindestabstand von 1,5 m nicht eingehalten werden kann“ (S. 4).
  • Im deutlichen Unterschied zum sog. „Schnupfenpapier“ des Bildungsministeriums mit seinen absurden Differenzierungen zwischen leichten, mittleren und schwereren Symptomen rät das RKI: „Wer Symptome zeigt, die mit einer COVID-19-Infektion vereinbar sind, bleibt zu Hause“ (S. 5).

 

Der Philologenverband empfiehlt, die Problematik der Corona-Pandemie auch in der Schule lösungsorientiert anzugehen und nicht einfach wegzuschauen. „Es wäre fatal, wenn wir gerade durch das Zögern und Zaudern der Landesregierung wieder direkt auf einzelne oder sogar flächendeckende Kita- und Schulschließungen zusteuern würden“, bewertet Schwartz die augenblickliche Situation.