Pressemitteilung - der Handwerkskammer Trier und des Philologenverbands Rheinland-Pfalz

Handwerk trifft gymnasiale Bildung

Eines haben akademische Bildung und berufliche Bildung gemeinsam: Sie sind hochgradig gefährdet, so die Einschätzung von Dr. Manfred Bitter, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Trier, und Ralf Hoffmann, Bildungsreferent des Philologenverbands Rheinland-Pfalz. Bitter, Gastreferent beim Bildungsausschuss des Philologenverbands, löste mit seinen Ausführungen am 4. April in Mainz eine lebhafte und ertragreiche Diskussion aus.

Die Diagnose:

Das Abitur verliert in vielen Bundesländern neben anderen Schulabschlüssen immer mehr an Aussagekraft und Wertigkeit aufgrund von immer weiter nach unten angepassten Anforderungen und wegen Notendumpings. Bei einer Abiturientenquote von fast 60 Prozent gilt eben nicht mehr der Automatismus „das Beste fürs Kind ist Abitur, dann Studium, dann ein gut bezahlter Akademiker-Job“. Teilzeitbeschäftigung, befristete Arbeitsverträge und prekäre Einkommen von unter 10 € brutto pro Stunde sind bereits jetzt keine Seltenheit mehr bei Absolventen eines akademischen Studiums. Hinzu kommt: Das Geldverdienen beginnt bei diesem Personenkreis oft erst mit 27 oder 28 Jahren.

Eine Gleichwertigkeit zwischen akademischer und beruflicher Bildung ist bislang aber weder in den Köpfen von Schülerinnen und Schülern noch von Eltern angekommen, obwohl die hiesige duale Ausbildung mit der Fortbildungsmöglichkeit zum Meister international anerkannt ist. Für das Handwerk droht eine Abwärtsspirale: quantitativ immer weniger Lehrstellenbewerber, qualitativ immer schwächere Bewerber, schwache Gesellen, schwache Meister, fehlender qualifizierter Unternehmernachwuchs. Eine Kernherausforderung ist also eine qualifizierte Lehrlingsausbildung; Meister fallen nicht vom Himmel.

Die Therapie:

Eine Imagekampagne zugunsten einer dualen Ausbildung mit Berufsinformationsveranstaltungen muss an den allgemein bildenden Schulen intensiviert werden, allerdings unbürokratisch und ohne Detailvorschriften, die die Schulen in ein enges Korsett schnüren. Erste bildungspolitische Weichenstellungen in Richtung der Wertschätzung auch der beruflichen Bildung sind in Rheinland-Pfalz zwar erfolgt, falsche Leitbilder müssen aber noch korrigiert werden: Wir brauchen wieder mehr neue Lehrverträge als Studienanfänger. „Abitur für alle“ darf nicht zum Motto werden, „Chancengerechtigkeit für alle, auch für die praktisch Begabten“, sollte die Devise lauten.

Mit dieser Positionierung üben Handwerkskammer und Philologenverband einvernehmlich erneut Kritik an der OECD und an deren Thesen, die Akademikerquote in Deutschland sei zu niedrig und eine duale Ausbildung sei ein sozialer Abstieg.

Verantwortung für künftige Generationen übernehmen heißt, realistische Zukunftsperspektiven aufzeigen. Hier bedarf es der Einsicht, dass nicht für jedes Kind ein Studium empfehlenswert ist; eine duale Ausbildung bietet quasi eine Beschäftigungsgarantie und damit berufliche Sicherheit. Die Durchlässigkeit der Bildungswege ist eine wertvolle Hilfe, immer wieder Richtungsänderungen auf den Bildungswegen verantwortungsbewusst vorzunehmen.

Bei der Integration von Flüchtlingen gilt es zu berücksichtigen: Insbesondere für diese Zielgruppe muss eine Ausbildung attraktiver gemacht werden als ein Minijob mit 8,50 € Mindestlohn, ansonsten wird man hier kaum neue Lehrlinge gewinnen können, sondern eine milliardenschwere Belastung für die staatlichen Sozialsysteme und damit für den Steuerzahler vorprogrammieren.

Für alle Bildungs- und Ausbildungslaufbahnen sollte klar sein: eine Anstrengungskultur muss wiederbelebt und eingefordert werden.