Rezension: „Direkte Instruktion“

BLICK 325

Foto: Jochen Ring

Vor ziemlich genau zwei Jahren erschien in unserer Verbandszeitschrift („Blick ins Gymnasium“ Nr. 303, S. 3: Jochen Ring, Philosophischer Glanz und pädagogisches Elend des Konstruktivismus) ein Aufsatz, in dem das sinnlose Bemühen mancher geisteswissenschaftlicher Pädagogen kritisiert wurde, diejenigen Unterrichtsmethoden, die eine aktive Rolle des Lehrers vorsehen, als mit der philosophischen Theorie des Konstruktivismus unvereinbar zu statuieren. Deren Plädoyer für das bedingungslose Postulat eines Rückzugs der Unterrichtenden auf Coaching und Lernbegleitung wurde seinerzeit auf einen naturalistischen Fehlschluss zurückgeführt: Die durchaus konsistente Theorie des philosophischen Konstruktivismus, so das Fazit des damaligen Artikels, erlaubt keine empiriefreie Unterscheidung zwischen guten und schlechten Unterrichtsmethoden. Ein Grund für den von den Vulgär-Konstruktivisten begangenen Fehlschluss, der sich in solch absurden Wendungen wie „that we should consider ‚teaching‘ to be a dirty word“ (Harris /Graham 1994) niederschlägt,  dürfte übrigens auch sprachlicher Natur sein: Die den beiden Begriffen gemeinsame lateinische Wurzel „struere“ suggeriert bei den daraus gebildeten Komposita durch das jeweilige Präfix („in-“ bzw. „Kon-“) eine inhaltliche Gegensätzlichkeit, die aber tatsächlich nicht gegeben ist, da beide Termini auf völlig verschiedenen Ebenen anzusiedeln sind, derjenige der Instruktion rekurriert auf die pädagogische Praxis, derjenige der Konstruktion bzw. des Konstruktivismus auf eine philosophische Erkenntnistheorie.


Im Einklang mit dem hier noch einmal kurz skizzierten Ergebnis haben nun Ludger Brüning und Tobias Saum, dem einen oder anderen von uns vielleicht durch zwei Bände zum Kooperativen Lernen schon bekannt, unter dem Titel „Direkte Instruktion. Kompetenzen wirksam vermitteln“ eine theoretisch fundierte, aber für den konkreten Unterricht aufgrund der vielen detaillierten Anregungen höchst brauchbare und umfassende Darstellung der zu Unrecht verfemten „Direkten Instruktion“ vorgelegt. Auch sie gelangen in dem Kapitel „Lerntheoretische Hintergründe“ zu dem Fazit: „Lernen ist immer ein konstruktiver, mentaler Akt, „ganz gleich, durch welche Art von Lernumgebung es ausgelöst wird.“ (S. 127) Die Autoren stellen einen expliziten Bezug zu John Hattie her, der mit eindrucksvollen empirischen Belegen nachgewiesen hat, was den mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität stehenden Praktikern als ein wohlvertrautes Faktum gilt: „Direkte Instruktion“ ist, wenn nur bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind und diese nicht oberflächlich mit Frontalunterricht oder fragend-entwickelndem Unterrichtsgespräch gleichgesetzt wird, hochwirksam und ein effektives Mittel, um insbesondere neue Kompetenzen einzuführen. Brüning und Saum zitieren Hattie, greifen aber auch die deutsche Rezeption in Gestalt von Klaus Zierer, Franz Weinert und Ewald Terhart auf, so dass ihre fruchtbaren allgemeindidaktischen Ansätze auf einem mittlerweile gesicherten Konsens aufbauen. Daher hilft dieses sehr empfehlenswerte Werk einerseits Referendarinnen und Referendaren, in bestimmten Kontexten den Einsatz der „Direkten Instruktion“ als bewährte Unterrichtsmethode zu rechtfertigen, liefert andererseits eine umfassende Reflexion über Gelingensbedingungen und bietet Anwendungsbeispiele sowie Impulse für die einzelnen Fachdidaktiken.


Fazit: Das Buch „Direkte Instruktion“ verdient breite Aufmerksamkeit, sollte in keiner Schul-, geschweige denn Seminarbibliothek fehlen und könnte – etwa durch die Verwendung an Studientagen – das kontrafaktische, aber von den Niederungen der Praxis enthobenen Fortbildnern gern gepflegte Mantra von den alleinseligmachenden, vermeintlich schülerzentrierten Unterrichtsmethoden zu durchbrechen helfen.

 

Ludger Brüning / Tobias Saum, Direkte Instruktion. Kompetenzen wirksam vermitteln, mit einem ausführlichen Vorwort von Andreas Helmke
Neue Deutsche Schule Verlagsgesellschaft mbH
180 Seiten, ISBN: 978-3-87964-324-0, 27,90 Euro