Schulpolitik und Bildungspolitik spielen bei der Landespolitik eine ganz enorme Rolle - Sie sind letztlich dafür ausschlaggebend, in welche Richtung es geht, welche Schwerpunkte, auch haushaltspolitisch, gesetzt werden.

BLICK 285

Cornelia Schwartz

Cornelia Schwartz

Dass Schulpolitik tatsächlich einen besonderen Stellenwert in der Landespolitik hat, lässt sich schon an den Zahlen des Landeshaushalts ablesen: Der Haushaltsplan für Rheinland-Pfalz für das Jahr 2016 sieht insgesamt Ausgaben vor in Höhe von knapp 24 Milliarden Euro. Das Bildungsministerium hat einen Finanzrahmen von mehr als 5 Milliarden Euro. Damit stellt es mit knapp 21 Prozent den größten Einzeletat im Haushalt dar, und damit liegt hier auch das größte Gewicht.

 

Man weist uns übrigens bei Gesprächen mit den Regierungsparteien regelmäßig darauf hin, dass ja schon so viel für Bildung und Kultur ausgegeben wird, insbesondere dann, wenn wir an irgendeiner Stelle mehr Geld fordern. Tatsächlich ist es aber auch absolut notwendig und wichtig, dass Bildung diesen hohen Stellenwert im Landesetat einnimmt, und wir sehen durchaus noch Luft nach oben. Es sollte selbstverständlich sein, dass gerade in Bildung viel investiert wird. Wir haben in Deutschland, in Rheinland-Pfalz, keine nennenswerten Rohstoffe. Daher müssen wir uns auf Bildung konzentrieren– es ist die Investition in die Zukunft.

 

Bildungspolitik betrifft viele Menschen im Land ganz elementar: unsere Schülerinnen und Schüler, ihre Eltern und natürlich uns Lehrkräfte. Es betrifft aber auch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die gute Leute brauchen, Arbeitskolleginnen und -kollegen, die sich darauf verlassen müssen, dass die jungen Leute, die zu ihnen kommen, weiterhin hochqualifiziert sind. Und auch diejenigen, die diese Arbeitsleistung – als Kunden – in Anspruch nehmen, wollen gute Qualität. Es geht aber um mehr als nur um künftige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Bildung und Erziehung ermöglichen es Menschen, sich zu entfalten und ihr Leben frei zu gestalten. Bildung ist die Grundvoraussetzung für die soziale und politische Stabilität unserer Demokratie.

 

Bekenntnis zum Gymnasium

 

Auf der Einladung zu unserem Gymnasialtag steht »Farbe bekennen«. Dazu haben wir heute politische Parteien eingeladen zum Thema Bildung. Es geht bei dieser Wahl um viel – beim Gymnasium geht es um alles.

 

Auf unserer Vertreterversammlung hatte ich Ihnen, Frau Reiß, gesagt, wir brauchen ein Bekenntnis der Politik zum Gymnasium. Dieses Bekenntnis haben Sie uns sofort und ohne zu zögern gegeben. Trotzdem blieb bei uns eine große Unsicherheit zurück. Die Unsicherheit darüber, was in den nächsten Jahren passieren wird – ob, wenn Gymnasium draufsteht, überhaupt noch Gymnasium drinstecken wird. Heute fragen wir daher konkreter: Was genau kommt auf uns zu? Welche Pläne gibt es bezüglich der Schullandschaft? Josef Kraus warnt vor den »Trojanischen Pferden« in der Gymnasialpolitik.

 

Längst sind viele Weichen Richtung Einheitsschule gestellt, wir stehen letztlich kurz davor: Für die radikalsten Veränderungen an den Schulen sind neben vielen kleineren Schritten zwei Dinge hauptverantwortlich: Die Abschaffung der Grundschulempfehlung hat Tür und Tor für falsche Entscheidungen geöffnet, und viele Kinder haben unter der Entscheidung für die falsche Schulart leiden müssen. Unnötigerweise, muss man sagen, denn wir hatten und haben ein durchlässiges Schulsystem. Nichts aber ist mehr wie vorher seit der Abschaffung der Hauptschule. Die Gymnasien werden förmlich überrannt, und die Kolleginnen und Kollegen gehen bis an ihre Belastungsgrenzen, um trotz der großen Heterogenität der Schülerschaft noch Unterricht auf gymnasialem Niveau zu bieten. Versprochen wurde vor der letzten Landtagswahl die Senkung der Klassenmesszahlen. Auch Gymnasien und Integrierte Gesamtschulen sollten davon profitieren. In den Klassenstufen 5 und 6, so war es versprochen, sollten die Klassenmesszahlen zunächst auf 28, dann auf 25 Schüler gesenkt werden. Aus Spargründen hat man die Senkung auf 25 Schüler dann doch wieder ausgesetzt und lässt uns mit dem Problem der immer größer werdenden Heterogenität allein.

 

Eine dritte Veränderung, die dann auch de facto das Ende des Gymnasiums bedeuten würde, ist Inklusion in ihrer radikalsten Form: Wenn das Gymnasium irgendwann zieldifferent unterrichten müsste, also wenn wir in Klasse 7 neben der Zinsrechnung auch gleichzeitig Addition oder das kleine Einmaleins in ein und derselben Unterrichtsstunde vermitteln müssten, wäre das die Einheitsschule. Dann kann jeder überallhin gehen und wird dann im Klassenverband – mit allen anderen – versetzt.

 

Exklusive Privatschule?

 

Eine Einebnung der Schularten, wie sie sich seit langem abzeichnet und von einigen offensichtlich angestrebt wird, erreicht aber genau das, was wir gerade nicht haben wollen. Denn immer wird es Leute geben, die gleicher sind als andere, Leute, die dann nach exklusiven, teuren, privat finanzierten Eliteschulen suchen, weil man dort unter sich ist, weil man sich dort eine bessere Förderung verspricht, anders eben als dann in der staatlichen Einheitsschule – so sieht soziale Gerechtigkeit nicht aus!

 

Soziale Gerechtigkeit kann nur erwachsen, wenn allen Kindern – unabhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern – tatsächlich der Weg des sozialen Aufstiegs offensteht. Wenn Kinder nicht einheitlich gefördert werden, sondern gemäß ihrer Begabungen, wenn es für jeden die richtige Schule gibt, nicht eine Schule für alle. Das Gymnasium war und ist immer noch die Schulart, die sozialen Aufstieg durch Leistung ermöglicht – so sieht für uns soziale Gerechtigkeit aus! Die Vereinheitlichung der Schularten geht allerdings bis hinein in die Lehrerbildung. Wie wird das Studium fürs gymnasiale Lehramt in Zukunft aussehen? Wie weit wird die Fachwissenschaft zurückgedrängt? Äußerlich völlig vereinheitlicht worden ist mittlerweile das Referendariat – achtzehn Monate für alle, so lautet das Mantra. »Wieso sollten Gymnasiallehrkräfte nicht können, was doch auch Grundschullehrkräfte hinbekommen?«, müssen wir uns anhören.

 

Streitpunkt Referendariat

 

Der Philologenverband hat ganz andere Vorstellungen von einer guten Lehrerbildung. Eigenverantwortlichen Unterricht von Anfang an im Referendariat lehnen wir ab. Angehende Lehrkräfte brauchen angeleiteten Unterricht bei erfahrenen Kolleginnen und Kollegen, und statt das Referendariat kaputtzusparen, brauchen wir mehr Fachleiterstellen und mehr Entlastung für Fachleiterinnen und Fachleiter. Denn wir wollen in Rheinland-Pfalz weiterhin hochqualifizierte gymnasiale Lehrkräfte.

 

Wenn wir nämlich weiterhin an öffentlichen Schulen junge Menschen entsprechend ihrer Fähigkeiten fördern wollen, dann müssen wir am Gymnasium für diese begabten jungen Menschen auch qualitativ hochwertigen Unterricht mit echten Herausforderungen anbieten. Nebenbei bemerkt: Anspruchsvoller Unterricht mit einem vollen Deputat von 24 Stunden ist bei der Vielzahl an außerunterrichtlichen Aufgaben kaum noch möglich. Und dabei wären Vollzeitkräfte wahrscheinlich noch dankbar, wenn es bei diesen 24 Stunden bliebe. Tatsache ist, dass Vollzeitkräfte von Schuljahresbeginn bis März oft 25 oder 26 Stunden unterrichten, und auch Teilzeitkräfte arbeiten über das persönliche Regelmaß hinaus. Verantwortlich dafür ist die Abitur-Vorgriffsstunde, d. h. wir müssen in einer Zeit, in der wir sowieso schon durch Abitur und alle möglichen anderen Aufgaben extrem belastet sind, auch noch Stunden vorleisten, weil unsere Abiturientinnen und Abiturienten im März dann die Schule frühzeitig verlassen.

 

Belastungen

 

Viele erfahrene Kolleginnen und Kollegen wollen oder können sich diese Belastung nicht mehr zumuten – sie haben kapituliert und ihr Deputat reduziert. Junge Kolleginnen und Kollegen am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn muten sich erst gar keine volle Stelle zu – mit allen Konsequenzen, die das mit sich bringt für die Familienplanung bis hin zur Altersversorgung. Hier und heute müssen wir die Frage an die Verantwortlichen in der Politik stellen: Welche Möglichkeiten sehen Sie, die Belastungen endlich herunter- statt immer weiter hochzuschrauben?

 

Es gäbe noch viele Fragen – manche davon werden sicher im Verlauf des Gymnasialtages noch aufgegriffen. Die politische, die bildungspolitische Diskussion in den Lehrerzimmern ist längst entbrannt. Selbst stille Kollegen machen ihrem Unmut immer lauter Luft. Das Echo auf die Ankündigung unseres Gymnasialtags war dementsprechend groß. Ein starkes Gymnasium, das muss unser aller Ziel bleiben. Dazu soll dieser Gymnasialtag einen wesentlichen Beitrag leisten.