Sonderpreis für Certamen IV

Blick 374

Der Philolologenverband fördert jedes Jahr aus Neue den Latein-Wettbwerb „Certamen IV“, an dem Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II an Integrierten Gesamtschulen (IGS) teilnehmen. Er fand am 21. März 2024 an der IGS Sprendlingen statt, diesmal unter dem Leitthema „Unsere Gesellschaft – am Ende oder am Anfang?“ und bot Workshops, musikalische Beiträge und einen Festakt, den der Organisator, Hans-Joachim Pütz, traditionell wieder auf Latein moderierte. Für alle nicht ganz Sprachsicheren gab es die Simultanübersetzung ins Deutsche via Powerpoint-Präsentation.

Für den Philologenverband Rheinland-Pfalz sprach Ralf Hoffmann vor der Verleihung des mit 100 Euro dotierten Sonderpreises an Darius Schmidt von der IGS Thaleischweiler-Fröschen ein Grußwort, das im Folgenden in Auszügen abgedruckt ist.

Liebe Schülerinnen und Schüler, verehrte Festgäste,

wieder einmal ein brandaktuelles Motto bei einem altsprachlichen Wettbewerb; das war mein erster Gedanke, als ich die Einladung zum heutigen Festakt erhielt. Und in der Tat – das Thema „Unsere Gesellschaft – am Ende oder am Anfang?“ verbindet die römische Antike mit der Gegenwart, zum Beispiel wenn man den Aspekt der Migration betrachtet.

Gilt die Völkerwanderung im 4. bis 6. Jahrhundert nach Christus bei vielen Historikern als ein wesentlicher Grund für den Untergang des Römischen Reiches, so muss gefragt werden, ob die Migration heute nicht auch eine Bedrohung für unser Staatswesen darstellt?

Viele sehen derzeit eine Krise, eine offene Situation, die das Schlimmste befürchten lässt. Die Sorgen über Überforderung, mögliche Umbrüche und Kontrollverlust führen zu Abwehrreaktionen in Teilen der deutschen Bevölkerung, insbesondere im rechtspopulistischen politischen Spektrum. Ängste werden geschürt – aktuell beispielsweise in dem kleinen Eifeldorf Michelbach: Auf 90 Einwohner sollten 60 in einem Hotel unterzubringende Flüchtlinge kommen. Das Vorhaben hat die Angst vor einer Spaltung der Gesellschaft schon aufgrund von räumlicher Separation vor Augen geführt.

 

Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat sich hierzu am 19. März 2024 in der Rhein-Zeitung geäußert: „Wir leben inzwischen in einer anderen Welt.“ Für sie gebe es keine Flüchtlingspolitik ohne Ordnungspolitik, Toleranz und Humanität.

Die ursprüngliche Wortbedeutung von „Krise“ (griechisch „krisis“ im Sinne von „Streit“, „Wendepunkt“ oder „Entscheidung“) enthält quasi den Auftrag an die Politik, Strategien für ein neuartiges Zusammenleben zu entwickeln und hierbei die Migranten einzubeziehen.

Mut machen können die gemeinsamen - von einer Debatte um „Remigration“ ausgelösten - Demonstrationen für Demokratie in den vergangenen Monaten.

Ich denke logisch: Menschen, die aus Diktaturen geflohen sind, müsste man als Kämpferinnen und Kämpfer für Demokratie leicht gewinnen können. Dann droht auch kein Untergang des deutschen Staatswesens.

Meine aktuelle Klasse 9c am Gymnasium in Bendorf zeigt als Mikrokosmos die „andere Welt“, in der wir bereits leben: Etwa die Hälfte meiner Schülerinnen und Schüler hat einen Migrationshintergrund. Ist die Klasse deswegen problematisch?

Von mir hören Sie ein klares Nein. Problematisch sind höchstens bildungspolitische Fehlentscheidungen. Unter den Migranten gibt es fleißige und faule Schülerinnen und Schüler, begabte und weniger begabte, sympathische und unsympathische, ehrliche und Ganoven.

Und genau dieses Spektrum habe ich auch schon vor 30 Jahren am Gymnasium in Cochem unterrichtet, in Klassen, in denen es gar keine Migrantenkinder gegeben hat.Eine Herausforderung waren damals eher ein paar Winzersöhne aufgrund ihres überdurchschnittlichen Alkoholkonsums.

Als elementar für eine Verständigung und damit auch gelingende Integration erscheint mir das Sprechen der deutschen Sprache. Diese Voraussetzung muss bildungspolitisch unbedingt geschaffen werden.

Der diesjährige Landeswettbewerb Latein regt mit der Themenwahl „Unsere Gesellschaft – am Ende oder am Anfang?“ zur Diskussion an. Diskussion auf kognitiver Ebene ist immer ein Beitrag zur Krisenbewältigung und zur Stärkung der Demokratie. Dafür sage ich den Veranstaltern herzlichen Dank!

Danke sage ich auch allen, die sich mit Interesse im Wettbewerb und für ihn engagiert haben, also auch allen teilnehmenden Schülerinnen und Schülern und allen betreuenden Lehrkräften.