Deutschunterricht für Geflüchtete in Rheinland-Pfalz: Sogenannter „immersiver“ Ansatz des Bildungsministeriums bedeutet nichts anderes als „Vogel, friss oder stirb!“

Im Zusammenhang mit den vorhersehbaren Hiobsbotschaften aus der Ludwigshafener Gräfenau-Grundschule, an der dieses Jahr voraussichtlich 44 Kinder am Ende der ersten Klasse nicht versetzt werden (nach der bisherigen traurigen Höchstmarke von 39 im letzten Jahr), erhebt der Philologenverband Rheinland-Pfalz schwere Vorwürfe gegen das Bildungsministerium. „Wir haben bereits im letzten Jahr gewarnt, dass die sprachliche Integration Geflüchteter an den Schulen in Rheinland-Pfalz nur noch bedingt funktioniert. Ja, wir haben weiterhin hochmotivierte Kinder und Jugendliche, die sehr gut und schnell Deutsch lernen. Schon vor einem Jahr allerdings hat sich abgezeichnet, dass der rheinland-pfälzische Weg des ‚immersiven‘ Lernens von Deutsch als Fremdsprache nicht für alle gleichermaßen sinnvoll ist“, so die Vorsitzende des Philologenverbandes Rheinland-Pfalz, Cornelia Schwartz. „Gemeint ist mit Immersion ein Sprachbad, also ein Eintauchen in eine sprachliche Umgebung, so dass das Kind die Sprache dann quasi aufsaugen kann. Hierzu muss das Kind allerdings der Sprache in genügendem Umfang ausgesetzt sein. Letztlich bedeutet dieses System für die Kinder schlicht und ergreifend ein Agieren nach dem Motto ‚Vogel, friss oder stirb‘: Entweder sie kommen damit klar, dass sie mit deutschsprachigen Kindern in einer Klasse mitschwimmen und quasi nebenbei Deutsch lernen sollen, an den weiterführenden Schulen auch unterstützt von Zusatzunterricht, meist in viel zu heterogenen Kursen, in denen Anfänger neben Fortgeschrittenen in großen Gruppen oft nur wenige Stunden Deutschunterricht pro Woche erhalten. Oder aber die Kinder gehen dabei völlig unter und bleiben im schlimmsten Fall irgendwann der Schule fern. Diesen Kindern und Jugendlichen bleibt eine ihren Anstrengungen entsprechende Karriere verwehrt.“

Sinnvoll wären aus Sicht des Philologenverbandes Deutschkurse auf verschiedenen Sprachniveaus (A1, A2, B1 des Europäischen Referenzrahmens). Hier sollten Intensivkurse von mindestens 20 Wochenstunden angeboten werden, und die Schülerinnen und Schüler sollten so auf die Standorte verteilt werden, dass dort auch die jeweiligen Kurse unterschieden in die drei Niveaustufen zustande kommen. Eine gewisse Verbindlichkeit im Unterricht (Tests, Noten, Zeugnisse, eine Art Versetzung in die nächste Niveaustufe) wäre dringend erforderlich. Sprachbegabte Kinder könnten die Kurse selbstverständlich auch schneller durchlaufen bzw. früher in die Klassen integriert werden; für alle anderen wäre ein solches System von Deutschkursen von großem Vorteil. Ein entsprechendes Konzept hat der Philologenverband Rheinland-Pfalz als Berufsvertretung der gymnasialen Lehrkräfte bereits vor einiger Zeit ausgearbeitet; das Bildungsministerium setzt allerdings nach wie vor auf unkoordinierte Eingliederung in den normalen Unterricht und zufällig zusammengewürfelte Lerngruppen von Anfängern bis Fortgeschrittenen.

Völlig weltfremd scheint das Konzept des immersiven Lernens an der Gräfenau-Grundschule in Ludwigshafen, bedeutet Immersion doch, dass man eintaucht in die fremde Sprache, die man lernen möchte, und zwar in einem entsprechenden Sprachumfeld. Diese Art des beiläufigen Sprachenlernens könnte bis zu einem Alter von sieben Jahren tatsächlich funktionieren. Für die Lehrkräfte der Gräfenau-Grundschule müssen die Schlagworte aus dem Bildungsministerium allerdings wie blanker Hohn klingen, sind sie doch mehr oder weniger alleiniges sprachliches Vorbild in ihren Klassen, da dort ein Großteil der Kinder einen Migrationshintergrund hat und viele von ihnen in der ersten Klasse erst einmal rudimentär Deutsch lernen müssen, bevor überhaupt an Lesen, Schreiben und Rechnen zu denken wäre.

Sinnvoller wäre es, Deutschklassen vorzuschalten, in denen erst einmal die Sprache intensiv gelernt wird – am besten in verpflichtenden Vorschuljahren. Wer Integration nicht völlig gegen die Wand fahren lassen, sondern Kindern eine Chance geben will, der muss die entsprechenden Ressourcen bereitstellen. Der Philologenverband Rheinland-Pfalz fordert Bildungsgerechtigkeit nicht nur für Sprachbegabte, sondern – auch im Sinne einer funktionierenden Gesellschaft – eine faire Chance für alle Kinder! Ohne ausreichende Sprachkenntnisse wird Integration kaum gelingen. Die weiterführenden Schulen bemerken schon jetzt einen rapiden Niveauverlust in den Eingangsklassen, der sich in beunruhigender Weise fortsetzt.