Die Potenzialanalyse – eine „Wunderpille“?

Wie ist der aktuelle Stand?

Arzneimittel müssen hinsichtlich der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit sowie des Nutzen-Risiko-Verhältnisses ein strenges und langwieriges Zulassungsverfahren durchlaufen. Die Potenzialanalyse hat jedoch ihre Zulassung bereits erhalten, obwohl sie sich erst seit kurzer Zeit in der Projektphase befindet und selbst in dieser ‚homöopathischen Dosierung’ bereits erhebliche Nebenwirkungen für die Schulen mit sich bringt.

Was ist die Potenzialanalyse und wofür wird sie angewendet?

Die Potenzialanalyse ermittelt in diversen Teststationen die überfachlichen Kompetenzen. Zielgruppe sind in der Regel die Schülerinnen und Schüler der 7. Jahrgangsstufe. 

Es lassen sich drei Anwendungsgebiete definieren:

1. Die Potenzialanalyse soll den Prozess der beruflichen Orientierung einleiten, indem die Schülerinnen und Schüler mit Blick auf beruflich relevante Kompetenzen geprüft werden.

2. Das individuelle Kompetenzprofil dient als Ausgangspunkt für eine anschließend einzusetzende individuelle Förderung.

3. Die Potenzialanalyse wird integraler Bestandteil des Qualitätsmanagements einer Schule. Zielvereinbarungen werden dahingehend zu treffen sein.

Wie soll die Potenzialanalyse verabreicht werden?

Vertreter des Bildungsministeriums raten vor der Erstanwendung des Testverfahrens dringend davon ab, die gesamte Jahrgangsstufe einzubinden. Den Projektschulen wird empfohlen, die Potenzialanalyse vorsichtig dosiert, d.h. mit einer überschaubaren Lerngruppe, zu implementieren und in den Folgejahren die Dosis schrittweise bis zum Vollausbau zu steigern. 

Die Regeldosis sieht folgendes vor:

• Alle Schülerinnen und Schüler (inklusive der Inklusionskinder!) der betreffenden Jahrgangsstufe nehmen am Testverfahren teil. 

• Die Kompetenzerhebung für eine Klasse dauert zwei Tage (zwei Klassen können parallel getestet werden).

• Ein Klasse wird in acht Gruppen aufgeteilt. Diese verteilen sich auf einen PC-Raum für die computergestützten Testaufgaben und einen Klassenraum für die Einzel- und Gruppenaufgaben.

• Für eine Klasse werden fünf Lehrkräfte benötigt: Vier speziell geschulte und zertifizierte Lehrkräfte fungieren als „Beobachter“ für die im Klassenraum arbeitenden Gruppen. Eine weitere Lehrkraft ist für die im PC-Raum tätigen Schüler zuständig.

• An einem weiteren Tag führen die am Verfahren nicht beteiligten Tutoren auf der Grundlage des Computerausdrucks (Kompetenzprofil) individuelle Auswertungsgespräche mit den Kindern und ihren Eltern. Ein Zeitansatz von 15 bis 20 Minuten pro Schüler ist dafür einzuplanen.

Welche Risiken und Nebenwirkungen sind zu befürchten?

Den schon jetzt am Limit arbeitenden Kolleginnen und Kollegen wird zusätzliche Arbeit aufgebürdet, ohne dass die Kollegien für die Durchführung eine Entlastung bekommen. Dies trifft vor allem die direkt mit der Kompetenzerhebung betrauten Lehrkräfte und Tutoren:

• Die Beobachter sind am Vormittag täglich fünf Stunden im Klassenraum im Einsatz. Am Nachmittag schließt sich eine zweistündige Beobachterkonferenz an, in der sie ihre Ergebnisse abgleichen und ins System eingeben. 

• Für die Auswertungsgespräche der Tutoren ist bei einer Klassengröße von 30 Schülern und einem knapp gerechneten Zeitfenster von 15 Minuten ein Zeitbudget von 10 Schulstunden einzuplanen!

Generell erfordert die Durchführung der Potenzialanalyse eine Personalkonzentration an den Test- und Besprechungstagen bei gleichzeitiger Personalausdünnung in den übrigen Jahrgangsstufen mit entsprechenden Folgen für die Unterrichtsversorgung und -qualität. Die Schule wird an den Prüftagen womöglich nur über Mehrarbeit am Laufen zu halten sein.

Welche Diagnose stellt der PhV?

Die vom Bildungsministerium trotz entsprechend kritischer Rückmeldungen von Seiten der Personalvertretungen, der Verbände und Schulen vorgegebene „Regeldosierung“ bedeutet de facto eine „Überdosierung“. 

1. Daher lehnt der Philologenverband die absehbare weiter ansteigende Arbeitsbelastung für die Lehrkräfte samt den negativen Folgen für den Fachunterricht ab.

2. Der Philologenverband fordert, dass nach Stärkung der Rechte von Schülern und Eltern es nunmehr notwendig ist, die Mitsprache der Lehrkräfte zu stärken, damit die innerschulische Belastung insbesondere im Bereich der ungebundenen Arbeitszeit begrenzt werden kann. 

3. Wir sind gegen Entscheidungen über die Köpfe der Kolleginnen und Kollegen hinweg. Die Gesamtkonferenz muss daher das geeignete schulische Gremium sein, das bei der Frage der Einführung der Potenzialanalyse einzubinden ist.

4. Bei einem positiven Votum sollten die Schulen die Entscheidungsfreiheit haben, in welchen Schülergruppen und in welchem Jahrgang sie die Potenzialanalyse tatsächlich durchführen wollen.

Verantwortlich im Sinne des Presserechts:
Cornelia Schwartz, Landesvorsitzende, und Jochen für Ring, Referent Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

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