Zur Digitalisierung von Klassenzimmern unter Umgehung der Mitbestimmung - Digitale Technik ja, aber bitte nutzergerecht, entsprechend gewartet und durch nachhaltige und im Betrieb stromunabhängige Hilfsmittel wie Kreidetafeln ergänzt!

BLICK 356

Foto: Cornelia Schwartz

Wenn’s nicht aus dem eigenen Topf bezahlt werden muss…
 

Das Füllhorn des Bundes mit der Aufschrift „Digitalstrategie“ ist ausgeschüttet, die Schulträger haben das Geld mit vollen Händen ausgegeben, grüne Tafeln in vielen Klassenzimmern herausgerissen und stattdessen digitale Tafeln gekauft, als gäbe es kein Morgen mehr. Der Fairness halber sei erwähnt, dass das Bildungsministerium hier nichts überstürzt hat – die Kreidetafeln auf den Müll zu werfen, war nicht Teil des ministeriellen Konzepts. Beseelt war die Politik samt ihren Transformationspredigerinnen von der Vorstellung, die Schulen nun endlich aus dem tristen, grauen und kohlegeschwängerten 19. Jahrhundert in die bunte und digitale Gegenwart zu holen. Von der Kita über die Grund- bis hin zur weiterführenden Schule, alle kamen sie in den Genuss der digitalen Tafeln.
 

Interessant in diesem Zusammenhang: Viele Gymnasien und Integrierte Gesamtschulen waren schon längst, aber von der Öffentlichkeit völlig unbemerkt, im 21. Jahrhundert angekommen – vollumfänglich und nicht nur im Hinblick auf die Digitalisierung. Mittlerweile hängt an den Schulen die zweite oder dritte Generation von digitalen Tafeln. Fünf bis acht Jahre halten die Tafeln im Schnitt, bevor die Entwicklung so weit fortgeschritten ist, dass die alte Tafel ausgemustert werden muss.
 

Die Digitalstrategie des Bundes: Eine Abwrackprämie für digitale Tafeln
 

Aus manchen Landesteilen wird berichtet, dass sich die schulische Digitalstrategie auswirkt wie seinerzeit die Abwrackprämie: So wie damals voll funktionsfähige Autos auf dem Schrotthaufen landeten, so riss man 2021 digitale Tafeln, die erst zwei oder drei Jahre zuvor installiert worden waren, heraus – zu groß die Verlockung, sich mit Hilfe einer Prämie neu auszustatten. Nachhaltigkeit? Ein Konzept, das sich nicht überall durchgesetzt zu haben scheint.
 

Aktuell hören wir immer wieder, wie gewissenhaft der Unterricht mit der digitalen Tafel vorbereitet wird – und wie man dann zwar nicht immer, aber leider regelmäßig daran scheitert, dass das WLAN nicht funktioniert oder die Tafel Updates macht … Solange es keine dafür zuständigen technischen Einsatzkräfte vor Ort gibt, die jeden Morgen alle Tafeln einschalten, alle Geräte auf Funktionsfähigkeit kontrollieren und gegebenenfalls reparieren, so lange wird durch die Digitalisierung Unterrichtszeit vernichtet: Schließlich muss man zunächst die Tafel oder die benötigten Programme dann irgendwie während der Stunde wieder zum Laufen bringen, um überhaupt unterrichten zu können.
 

Nutzerorientierte Computerausstattung – sinnvollerweise eine Frage der Mitbestimmung!
 

Keine Frage: Digitale Geräte sind sinnvolle Arbeitswerkzeuge und haben viel zu bieten – es lohnt sich, sie im Unterricht einzusetzen, und ab einer gewissen Klassenstufe ist es gewinnbringend, alle mit einem eigenen Gerät auszustatten, um (wenn auch im Sinne des Arbeitsschutzes und insbesondere des Erhalts der Sehfähigkeit nicht rund um die Uhr) damit arbeiten zu können. Ein Klassenzimmer mit großer Kreidetafel und einem Beamer, mit dem zum Beispiel Tablets, Notebooks oder eine Dokumentenkamera verbunden werden können, wäre, so bisher zumindest die häufige Rückmeldung an uns, in vielen Fällen bedarfsgerechter. Nach dem, was im Klassenzimmer wirklich gebraucht wird, haben Schulträger allerdings wohl nicht immer gefragt.
 

Womit wir beim Thema „Personalvertretungsrecht“ wären: Ansprechpartner der Schulträger vor der Demontage der Kreidetafel und der Montage der digitalen Tafel wäre laut § 53 Abs. 3 Landespersonalvertretungsgesetz der örtliche Personalrat gewesen. In § 80 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 setzt das Gesetz sogar noch eins obendrauf: Der Personalrat ist in der Mitbestimmung. Und schließlich in § 74 Abs. 1 wird ergänzt, dass eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme, die ohne Zustimmung des Personalrates getroffen wurde, gegebenenfalls rückgängig zu machen ist.
 

Stromsparen und Autarkie im Unterricht?
 

In Bezug auf die nicht mitbestimmte Demontage der Kreidetafeln können Personalräte allerdings gelassen bleiben: Im Juli 2022 schon überlegte der scheidende Oberbürgermeister der Stadt Landau öffentlich, das Einschalten der gerade angeschafften Luftfilter im nächsten Corona-Herbst zu untersagen, damit weniger Energie verbraucht würde. Und nicht nur in der Südpfalz denkt man darüber nach, Schwimmbäder stillzulegen, um Gas und Strom einzusparen. Vielleicht zaubert der ein oder andere cleverere Stadtkämmerer die grünen Tafeln, die er nebst Kreidestücken in sämtlichen Farben des Regenbogens still und heimlich im Keller des Rathauses gebunkert hat, dann doch noch schnell hervor, kurz vor Weihnachten, bevor bei den digitalen Tafeln dann das Licht ausgeht und sich besinnlich die Adventskranzkerzen darin spiegeln. Strom bräuchten wir dann zwar noch gelegentlich für die digitalen Endgeräte der Schüler- und Lehrerschaft, aber zumindest bei der Nutzung der Tafeln kämen wir vollkommen ohne Kohleverstromung aus – und die Klassenzimmer wären angesichts der deutlich längeren Halbwertszeit von Kreidetafeln auch wesentlich nachhaltiger ausgestattet.