Arbeitszeit gymnasialer Lehrkräfte – helfen uns jetzt nur noch die Gerichte?

BLICK 347

Foto: Jochen Ring

Gymnasiale Lehrkräfte machen nahezu täglich die Erfahrung, dass ihr Lehrdeputat viel zu hoch ist. Schon häufiger haben wir an dieser Stelle nachgewiesen, dass, wenn alle Arbeitszeitverkürzungen, in deren Genuss der Rest der Arbeitswelt, insbesondere der sonstige Öffentliche Dienst, seit dem Zweiten Weltkrieg gekommen ist, auf die gymnasialen Lehrkräfte übertragen worden wären, wir ein Pensum von 18 Wochenstunden für gymnasiale Lehrkräfte hätten (Tatsächlich gibt es sehr viele Kollegen, die gemäß ihrem pädagogischen Ethos genau diese 18 Stunden unterrichten, dabei aber die mit solcher Teilzeittätigkeit verbundenen finanziellen Nachteile in Kauf nehmen.) Dabei fließt in unsere Berechnung noch nicht einmal die Tatsache ein, dass im Vergleich zu den Fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts Korrekturen, pädagogische Gespräche mit Schülern oder Eltern u.v.a.m. mittlerweile einen beträchtlichen Mehraufwand erfordern. Jede Lehrkraft, die auf einen länger als zehn Jahre währenden Zeitraum zurückblickt, wird bestätigen, dass es in dieser Hinsicht keine Rationalisierungen, im Gegenteil, nur mehr Komplexität und damit Arbeitszeitverlängerung gegeben hat.
 

Der Philologenverband weist in seiner Öffentlichkeitsarbeit permanent auf diese Gerechtigkeitslücke hin und erläutert sie immer wieder detailliert auch im Diskurs mit politischen Repräsentanten. Langsam, aber sicher gelange ich persönlich zu dem Schluss, dass es für uns, die wir vor dem Hintergrund des oben Skizzierten nur das fordern, was recht und billig ist, leichter wäre, mit der Aussage umzugehen, dass die Philologen zwar nach den Regeln der Mathematik und Logik recht hätten, dass man aber mit Deputatssenkungen für gymnasiale Lehrkräfte keine Wahlen gewinne, da der Kreis der Begünstigten zu klein sei. Das wäre dann wenigstens ehrlich, aber keine so offensichtliche Beleidigung der von uns gesetzten Diskursmaßstäbe wie diejenige Pseudo-Argumentation, mit der wir uns seit einiger Zeit konfrontiert sehen und die darauf hinausläuft, dass die rheinland-pfälzischen gymnasialen Lehrkräfte im Bundesländer-Vergleich ja ganz gut dastünden und daher keinen Grund zur Klage hätten.
 

Damit künftig solche abwegigen Vergleiche unterbleiben, hier nun schriftlich und öffentlich die Widerlegung der Gültigkeit eines solchen Schlussverfahrens:
 

1. Wenn man es tatsächlich unternimmt, Stundendeputate über die Bundesländer hinweg zu vergleichen, darf man selbstverständlich die andernorts gewährten Entlastungstatbestände nicht außer acht lassen. Sie führen dazu, dass ein in der Oberstufe eingesetzter Kollege zum Beispiel in Bayern im Endeffekt 22 Wochenstunden unterrichtet. Wenn man es wirklich ernst meint mit dem Vergleich, müsste man darüber hinaus die in Nordrhein-Westfalen auch eklatant höhere Besoldung ins Verhältnis setzen zu dem gegenüber Rheinland-Pfalz leicht erhöhten Deputat.
 

2. Wie war das noch, als die PISA-Katastrophe ausgerufen wurde? Bildungspolitiker aller Bundesländer reisten nach Schweden, Finnland und alle möglichen anderen Staaten, und noch die absurdeste Forderung an das deutsche Bildungswesen wurde damit begründet, dass diese am betreffenden Reiseziel umgesetzt sei. Warum orientiert man sich aber nicht bei den Gymnasiallehrerdeputaten an anderen Staaten? Wohl deshalb, weil Bildungs- und Haushaltspolitiker hier keine Argumentationshilfe erwarten dürfen.
 

3. Besonders ärgern wir Philologen uns aber über das Faktum, dass ein Vergleich, der uns präsentiert wird, um eine Antwort zu geben auf unsere Darstellung eines offensichtlichen Missstands, diejenigen, die den Missstand beklagen, in inhaltlicher Hinsicht gar nicht ernstnimmt. Konsequent zu Ende gedacht, gäbe es nämlich, egal in welchem gesellschaftlichen Teilbereich auch immer, grundsätzlich keinen politischen Veränderungsbedarf, wenn es in der betreffenden Angelegenheit nur genügend Bundesländer gäbe, die noch schlechtere Bedingungen als das Referenzland aufwiesen. Ein Vorwand, um in keinem Bundesland eine Änderung im Sinne der Gerechtigkeit herzustellen, und damit eine Bankrotterklärung der Politik!
 

Wie so häufig bei politischem Stillstand dürfte die Lösung des beschriebenen Problems durch die Justiz erfolgen. „Iudex calculat“ wäre damit eine Umkehrung eines Rechtssatzes, die als Ausnahme die bekannte Juristenregel bestätigt. Der Philologenverband besitzt mit der LaiW-Studie eine zuverlässige und objektive Datengrundlage, die spätestens und in letzter Instanz den in der Vergangenheit erstaunlich arbeitnehmerfreundlich urteilenden Europäischen Gerichtshof überzeugen dürfte.